herzlichen Dank für die Einladung zu Deinem 70. Geburtstag.
Leider kann ich nicht teilnehmen. Dennoch hab ich mir ein paar Gedanken zu
diesem Anlass gemacht, die Karl-Heinz vortragen wird.
Viel Spaß und……
Wer kommt da eigentlich alles?
Die
runden Geburtstage im
freundschaftlichen Miteinander
gelten als die eigentlichen Highlights
(Hochgenuss, für alle nicht englisch sprechenden Gäste) einer funktionierenden
nachbarschaftlichen Gemeinschaft. Anlässlich
eines solchen
Events (Feier, so der Übersetzung
Service) scheut der Gastgeber weder
Zeit noch Geld, um die seit Monaten laufenden Vorbereitungen zum Erfolg zu
führen. Vieles ist zu organisieren, manches zu bedenken. Wer sitzt mit wem, wo
und dann, am Tisch, an welchem Platz? ist eine der zentralen Fragen, die ein
erfahrener Gastgeber als Steuerungselement versteht, um die Mischung für die
richtige Stimmung im Saal herzustellen.
An der Kleidung ist zu erkennen, dass auch die Gäste ihren
Beitrag leisten um den, dem Anlass entsprechenden Rahmen, herzustellen. Es ist
der Tag, an dem der sonst stehst im offenen Hemd anzutreffende Jugendfreund,
doch mal die seit Jahrzehnten, inzwischen vergilbte und leicht geknitterte aber
fertig geknotete Krawatte, aus der hinteren Ecke des Kleiderschrankes hervor
kramt und umhängt. Dass die Kombination mit dem neuen Hemd nicht so harmoniert,
spielt eher eine untergeordnete Rolle.
Kein Wunder, dass sich in diesem Umfeld nicht gleiche jedes
Gemüt zurechtfindet und sich erst
nach und nach anschickt warm zu werden. So ist der etwas zittrig zum Munde
geführte Löffel mit Suppe nicht unbedingt eine Folge des Alters, sondern auch
Ausdruck von Nervosität, weil man, oft auch unter den strengen Augen der Gattin,
Sorge dafür zu tragen habe, dass die ladenfrische, neue Krawatte nicht
verkleckert ist, bevor der Abend beginnt.
Die Auswertung der auf den unterschiedlichsten Feiern der
vergangenen Jahre erhobenen Daten, ist die Basis für den nun
folgenden Charakterbericht.
Es ist deutlich zu erkennen, dass Manfreds Leidenschaft nicht
dem offenen Tanz gehört.
Zugegeben, seine Bewegungen waren nie elfengleich und wirken auf den kritischen
Beobachter leicht hölzern, sein sich beim Tanze etwas verlierender Blick verrät
dem Beobachter jedoch, dass er hart an sich arbeitet.
Als ein Wiener Walzer aufgelegt wird, betreten auch Rolf
und Ulrike die Manege. Wer nun vermutet, dass die beiden federleicht und
schwerelos dahin schweben, muss zur Kenntnis nehmen, dass Rolfs Drehung im ¾
Takt, um Ulrike herum, auch nicht so richtig kommt. Sie gleicht eher dem
Hüftschwung wie er beim Bauchtanz gezeigt wird.
Inzwischen ist die 1. Generation der Enkel beim DJ und sie
beschweren sich über die Musik. „Wenn Du nur Oldies mit hast, dann lass mal
Satisfaction (Deutsch Satisfaktion) kommen und schalte das Geschrei von eben
ab!“
Der kurze Wortwechsel über die richtige Musik bringt Gaby auf die Palme. Sie führt aus, dass es sich bei der gerade gespielten Musik nicht um Geschrei, sondern um einen vielfach ausgezeichneten Titel von Andrea Berg mit dem Namen „Du hast mich 1000 mal belogen“ handele und sie würde darauf bestehen, diesen Titel jetzt und in voller Länge ungestört noch einmal zu hören.
Christine ist ein echter Aktivposten auf dem Tanzboden.
Speziell in der Disziplin „Freedance - Single“ (Freitanz ohne Partner) hat Sie
in der Kategorie „Umdrehungen pro Minute“ (U/min), eine Einheit wie man sie auch
vom Motorenbau kennt, eine atemberaubende Technik entwickelt, die von ihrem
einzigartigem Talent zeugt.
Von Ernst ist bekannt, dass er öffentlichen Auftritten, wie
das Absingen einstudierter Geburtstagslieder, lieber aus dem Wege geht.
Respektvoll springt er zur Seite als die von Gisela angeführte Polonaise sich
schlingernd durch den Saal
wälzt. Da hat Ernst allerding kaum eine Chance zu entkommen. Er wird an das Ende
der Schlange gehängt und findet dann doch auch Gefallen an diesem Tun. Niemanden
hätte es ernsthaft gewundert, wenn im Gesang der Polonaisen,
z.B. wo es da heißt….“nun geht es los mit ganz großen Schritten und der
Erwin packt der Heidi von hinten an die….Schulter“….“sich die Fußball-hymne vom
TSV Freden eingemischt hätte.
Der DJ sucht inzwischen nach Satisfaction von den Rolling
Stones.
Wolfgang
sieht den Tanz eher als sportliche Herausforderung und beginnt umgehend auf der
Tanzfläche zu springen an. Mal mit dem rechten, mal mit dem linken Bein, mal
höher und mal schneller, dass der Rhythmus der Musik auf die Sprungbewegungen
einen Einfluss hat, ist nicht erkennbar.
Später fordert er, man möge doch was Langsameres auflegen, etwa „Major
Tom“, er hat einige Damen ausfindig gemacht, die er gern zum gepflegten
klassischen Tanze auffordern würde. Beim Verlassen der Tanzfläche nimmt er zur
Kenntnis, dass Dieter ihm zuvor gekommen ist und mit 3 Damen gleichzeitig tanzt.
Dieter hat inzwischen seinen Fotoapparat ausgepackt und möchte
einige Bilder anfertigen, die diese Geburtstagsfeier
dokumentieren. Von den Enkeln der ersten Generation wird er sofort darauf
hingewiesen, dass
eine Veröffentlichung des Bildmaterials ausdrücklich der
schriftlichen Genehmigung der abgelichteten Personen bedarf.
Dieter zieht
sich schmollend zurück und denkt an
die Anschaffung einer Kamera, wie sie beim Geheimdienst verwendet wird, nach.
Mindestens jedoch will er sein
Mandat im Stadtrat wieder aufnehmen, um solche albernen Gesetze in Gronau
aufzuheben.
Barbara
ist die kurze Auseinandersetzung zwischen den Enkeln und Dieter
nicht entgangen. Sie empfiehlt Entspannung und schlägt vor, gemeinsam das
Lied zu singen, dass die tibetanischen Mönche anlässlich ihres Mittaggebetes vor
sich hin murmeln. Mit einem langgezogenem „OOMMMMMHHHH“ geht sie zur Disco um
was Passendes herauszusuchen.
Der DJ sucht gerade nach „Satisfaktion von den Rolling Stones“
.
Auch Angelika, Sabine und Marianne eilen herbei und wollen was
Kluges zur Lösung des Problems beitragen. Sabine merkt an, dass sich hier jetzt
eine beachtliche pädagogische Potenz Gronaus zusammengefunden hat und man diese
Runde nicht auflösen dürfe, ohne einen Lösungsvorschlag zu präsentieren.
Angelika
lädt zu einer Spontan-Konferenz in einen der ungeheizten Räume im hinteren Teil
des Hauses ein. Man sehe sich gezwungen umgehend zu untersuchen, ob es sich um
Versäumnisse der Schule handelt, wenn junge Menschen sich nicht angemessen auf
dem gesellschaftlichen Parkett benehmen. Unter dem
selbstkritischen Arbeitstitel
„Gut vorbereitet, auf die Zeit nach der Schule?“ soll ein Bericht verfasst
werden, der dann anonym der zuständigen Landesschulbehörde zugestellt werden
soll.
Weiterhin gibt Angelika zu bedenken, dass die anwesende junge
Generation sich von einem hier anwesenden, ganz normalen Gast, die kulturellen
Verdienste von Frau Andrea Berg habe erklären lassen müssen. Diese Situation hat
ihr, die sie doch eigentlich
zuständig für die kulturelle Ausbildung der Jugendlichen gewesen sei, die
Schamesröte ins Gesicht getrieben und Sie werden sich dafür einsetzen, dass die
Verdienste von Andrea Berg den Weg in die Unterrichtspläne
der Abschlussklassen finden werde.
Marianne, die sich schon seit längeren meldet, bekommt nun
auch Gelegenheit ihren Wortbeitrag zu formulieren. Bescheiden fragt sie, ob ihr
hier mal jemand erklären könne, warum es denn gehe? Sie habe das Problem nicht
verstanden. Peinliches Schweigen ist zu hören, womit das Thema auch durch ist.
Karl-Heinz ist der Nachbar aus einer 15km entfernten
Nachbargemeinde. Dass Entfernungen für Ihn keine Rolle spielen, hat er vor
einigen Jahren auf dem Jacobs – Pilgerweg in Spanien bewiesen, auf dem er mehr
als 800km zurückgelegt hat. Wer angesichts dieser beindruckenden Leistung nun an
einen durchtrainierten, drahtigen Mann
denkt,
muss sich belehren lassen, dass offensichtig auch die durch gutes Essen und von
feierlichen Anlässen geformte Figur in der Lage ist, außerordentliches zu
leisten.
Eine Eigenschaft von Ihm verdient jedoch eine extra Würdigung und
muss hier herausgehoben und zu
Papier gebracht werden:
Du kannst so wunderbar lachen---- und davon machst Du
reichlich Gebrauch.
und mit diesem schönen Schlusssatz macht Karl-Heinz
weiter
Karl-Ludwig, hier besser als Charly bekannt, kennt sich aus
auf dem gesellschaftlichen Parkett. Er gilt als Kenner des edlen Tropfens und
niemand kann besser als er den Unterschied zwischen Weiß – und Rotwein erklären.
Zufrieden sitzt er auf seinem Stuhl, beobachtet die Szene und denkt über den
Verzehr eines weiteren jungen Genevers nach.
So könnte man noch vieles zu vielen schreiben. Ein Charakter
ist nicht mit einem Satz
beschrieben. In der Hoffnung niemanden vergessen, oder gar verletzt zu haben,
schließe ich hier ab und bedanke mich bei Dir Karl-Heinz, dass Du für mich hier
vorgetragen hast.
Schließen möchte ich
mit einem Gruß an alle Gäste und einem
„Herzlichen Glückwunsch zum 70. Geburtstag, lieber Rolf und
alles Gute“. Ich wünsche Euch eine schöne Feier und verspreche, beim nächsten
Mal wieder dabei zu sein.
Euer Wolfgang